Jamaika hat gewählt

Jamaika wählte am 3. September 2020 ein neues Repräsentantenhaus

Prime Minister Andrew Holness hatte für den 3. Sept. 2020 Neuwahlen angesetzt. Die vorzeitige Auflösung des Parlamentes – die Legislaturperiode geht eigentlich bis zum 26.2.2021 – sollte ihm eine 2. Amtszeit sichern. Hintergrund sind die derzeit guten Umfragewerte für die Regierung, die in erster Linie auf die erfolgreiche Bekämpfung der Coro­na-Pandemie zurückgehen.

Dieser Schritt ist Teil des von Jamaika übernommenen englischen parlamentarischen Systems und wurde in der Vergangenheit schon von allen politischen Lagern angewendet. Gewählt wurden die 63 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Die konservative Regierungspartei Jamaica Labour Party (JLP) konnte ihre Mehrheit deutlich um 17 Sitze gegenüber der oppositionellen People’s National Party (PNP) ausbauen. Die Wahlbeteiligung war mit 37,3 Prozent die bisher niedrigste. [Quelle: Wikipedia]

Damit hat PM Holness sein Ziel auf einen größeren Vorsprung bei den Sitzen im Parlament erreicht. Bei den letzten Wahlen war dieser Vorsprung überraschend denkbar knapp:

16. Sitze bei der Wahl nach Einführung des allgemeinen Wahlrechtes 1944,

11. Sitze bei der Wahl nach der Unabhängigkeit 1968

1 Sitz im Jahr 2016: JLP (23,9%) 32 Sitze, PNP (23,8%) 31 Sitze, Wahlbeteiligung 42 %

Die erstaunlich geringe Wahlbeteiligung im Februar 2016 hatte damals zu großen Schwierigkeiten bei den Wahlforschern geführt. Bei der Wahl am 3. September ist die Beteiligung weiter gesunken. Über die Gründe der niedrigen Wahlbeteiligung wird in Jamaika viel diskutiert. Die Argumente reichen von den geringen Unterschieden zwischen der Regierungsarbeit der beiden großen Parteien bis zu den seit Jahrzehnten ungelösten Problemen der hohen Kriminalität und den anhaltenden wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten großer Bevölkerungsteile. Die regierende JLP hat es dabei genauso wie ihre Vorgänger von der PNP in den letzten Jahren verstanden den Stand Jamaikas bei den „Small Vulnerable Economies“ (so die Bezeichnung der Weltbank) einigermaßen stabil zu halten.

Ein Überblick

2016

2019

Schuldenstand

14,5 Mrd. US $

14,4 Mrd. US $

Inflation

2,4%

5,1%

Wachstum

1,5%

0,9%

Nationalprodukt pro Kopf

4.986 US $

5.460 US $

Arbeitslosigkeit

13,1%

8% (gerundete Werte)

Alles in Allem gab es wenig Gründe für eine Wechselstimmung bei den anstehenden Wahlen. Bleibt die Frage nach den Führungspersönlichkeiten der beiden Parteien. Andrew Holness, 48 Jahre alt, hat bei der jüngeren Bevölkerung höhere Zustimmungswerte als sein Gegenspieler, der 71 Jahre alte Peter Phillips. Phillips, ein altgedienter PNP Politiker ist seit den 90er Jahren durchaus erfolgreich als Minister in den verschiedensten Bereichen tätig. Die beiden Parteien haben ihre unterschiedlichen Positionen in dem kurzen Wahlkampf herausgearbeitet – grundlegende Änderungen der Regierungsarbeit sind von beiden Lagern allerdings nach der Wahl nicht zu erwarten bzw. werden die wirtschaftlichen Zwänge dies gar nicht zulassen.

Bleibt der Umgang mit der Corona-Pandemie als zentraler Pluspunkt für die regierende JLP. Schon wenige Tage nach bekannt werden der Krankheit wurden die Inselzugänge drastisch eingeschränkt. Der Tourismus wurde gestoppt und einreisende Einheimische mussten in die Quarantäne. Jamaika steht mit 1192 Infizierten, 772 Genesenen und 14 Toten in einer unvergleichlich guten Position auf dem amerikanischen Kontinent (Stand Sept.2020). Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind für die Insel jedoch gravierend. Die Einnahmen aus dem Tourismus (2019: 3,7 Mrd. US $) werden 2020 fast ganz fehlen. Aber auch die Überweisungen der im Ausland lebenden Jamaikanerinnen und Jamaikaner sind eingebrochen (2019: 2,4 Mrd. US $). Der Rückgang der Einnahmen aus dem Bauxitexport – 2017 waren dies immerhin 121 Mill. US$ - durch die Pandemie bedingten Einschränkungen ist noch nicht absehbar. Experten rechnen mit einer 3jährigen Erholungsphase der jamaikanischen Wirtschaft.

Für die Wählerinnen und Wähler dürften dies aber eher die Probleme von Morgen sein. Die hohe Arbeits-losigkeit und die zunehmende Teuerung des täglichen Lebens dürften für die Wahlentscheidungen wichtiger gewesen sein. Im Gleaner wird z.B. beklagt, dass ein einfaches Mittagessen, das zum Jahresanfang 350J$ kostete jetzt aktuell für 450J$ zu haben ist. (1 J$ = 0,0056 Euro, 450 J$ wären also 2,5 Euro oder 3 US $).

Für Andrew Holness hat sich trotz dieser alles andere als einfachen Zukunftsaussichten der vorgezogene Wahltermin klar ausbezahlt. Die Zunahme der Sitze der JLP im Parlament auf Kosten der PNP spricht eine deutliche Sprache.

J. Wenzel