Ian Flemming und sein Jamaika

Matthew Parker: „Goldeneye - Ian Fleming und Jamaika. Wo James Bond zur Welt kam“

aus dem Englischen von Felix Mayer, Septime, 504 Seiten, 26,-

Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag:

  • Juli 1943, eine hochrangige angloamerikanische Seekonferenz in Kingston, Jamaika.
  • Deutsche U-Boote verursachen Chaos in der Karibik und versenken lebenswichtige Schiffe. Der Assistent des Direktors des Marine-Geheimdienstes, Ian Fleming, wird auf die Insel geschickt, um das dringende Problem zu lösen.
  • Es gibt wilde Gerüchte, dass Axel Wenner-Gren, der schwedische Millionär, der angeblich mit Hermann Göring verbunden ist, eine geheime U-Boot-Basis auf Hog Island, seiner privaten Paradiesinsel in der Nähe von Nassau, errichtet hat.

Matthew Parker steigt dort ein, wo Ian Fleming - wie er 1963 in einem Interview erklärte - die beste Zeit seines Lebens hatte: als Verbindungsoffizier und Rechte Hand von Admiral John Godfrey, dem obersten Chef der "British Naval Intelligence". In dieser Funktion besucht Fleming 1943 Jamaika zum ersten Mal, so steht es bei Matthew Parker. Andere Quellen nennen die Jahre 1941, 1942 und auch 1944. Fleming nimmt an einer anglo-amerikanischen Konferenz in Kingston teil und übernachtet im Haus eines alten Schulfreundes, der ebenfalls für einen Geheimdienst tätig ist.

Es fallen Stichworte, wie U-Boat (nicht Submarine) und es erscheinen Namen wie Wenner-Gren, oder Orte wie Hog Island. Man kann es einfach überlesen, oder auch selbst recherchieren, was ab 1941 im Atlantik und in der Karibik wirklich los war. Es war der Beginn der deutschen "Operation Paukenschlag", mit der man England von der Versorgung abschneiden wollte. Jedes U-Boot hatte eine Enigma an Bord, der Schwede Wenner-Gren soll zu seiner Zeit der reichste Mann der Welt gewesen sein und seine Insel Hog Island heißt heute Paradise Island (Matthew Parker deutet dies nur an). Zu alle dem findet sich immer eine Beziehung zu Ian Fleming, sofern man selbst etwas weiter recherchiert.

Ian Fleming (geboren 1908) verbrachte seine Jugendjahre in London, nur einen Steinwurf entfernt von Buckingham Palast und Hyde Park. Sein Vater war ein enger Freund von Winston Churchill. Wie in diesen Kreisen üblich, wurden die Kinder der Reichen in Internaten wie Eton erzogen. Allerdings musste Fleming wegen zahlreicher Affären öfter mal die Schule wechseln. Was ihm aber die Gelegenheit gab, andere Länder und andere Sprachen kennenzulernen, darunter auch Deutsch.

Flemings Biographie wurde von Matthew Parker perfekt recherchiert, so dass man zu verstehen beginnt, wie Fleming dazu kam, solche Romane zu schreiben, ohne darin zu verraten, was er im 2. Weltkrieg wirklich gemacht hat. Auch das hatte einen Grund.

Fleming verbrachte ab 1947 jedes Jahr mindestens die ersten zwei Monate auf Jamaika. Nach dem Krieg war er in London bei der "Sunday Times" beschäftigt und konnte es sich leisten, jedes Jahr nach Jamaika in den Urlaub zu fliegen, um sich in seinem Haus (genannt "Goldeneye“) vom zerstörten und smog-verseuchten London zu erholen. Alle 12 Bond-Romane wurden dort geschrieben.  Auch der erste Kinofilm mit Sean Connery wurde 1962 auf Jamaika gedreht, ausgerechnet in dem Jahr, in dem der Kalte Krieg durch die Kubakriese eskalierte.

Irgendwann wird auch klar, warum Fleming mit keinem Wort die Enigma, oder seine Beziehungen zu Bletchley Park erwähnt. Diese Themen waren bis in die 70er Jahre tabu. Bletchley Park war im 2.Weltkrieg eine Spionagezentrale englischer Geheimdienste zur Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs. Dass dort die Enigma dechiffriert wurde, war auch lange nach dem Krieg noch ein Staatsgeheimnis.

Fasst man alle Informationen zusammen, lässt sich von Winston Churchill, dem U-Boot-Krieg und der Enigma über Ian Fleming und Jamaika ein lückenloser Bogen bis zu James Bond und Bob Marley schlagen. Folgt man dem Buch von Matthew Parker und recherchiert das Umfeld von Ian Fleming, entsteht vor den Augen des Lesers ein Regenbogen von einem Jahrhundert Weltgeschichte, und Jamaika liegt dabei beinahe in der Mitte.

Dietmar Krehl